Wenn du einen Hund in deine Familie holst, gibt es einen gemeinsamen Wunsch, der bei allen auf der Liste steht. Egal, welche Vorstellungen du vom Zusammensein mit deinem Vierbeiner hast – alle wollen ein harmonisches Miteinander und glücklich sein. Wenn dein Hund happy und zufrieden ist, spiegelt sich das auch auf dich und umgekehrt.
Aber was braucht ein Hund wirklich, um sein Hundeleben in vollen Zügen zu genießen? Schnell kommt man da wieder in die „Rasseschubladen“. „Hast du einen Australian Shepherd? Wow, das wird ein Fulltime-Job!“ – „Oh je, dein Garten mit einem Dackel. Dackel sind doch so dickköpfig" “ – „Wie schaffst du das mit zwei Jagdhunden? " Oh je, ein Spitz? Der wird nur kläffen".
Das sind die typischen Aussagen, die du oft bekommst, wenn du dich mit hundeerfahrenen Leuten unterhältst.
Das wäre aber wohl zu einfach gedacht.
Wenn wir herausfinden wollen, was ein Hund braucht, müssen wir uns zuerst um die Grundbedürfnisse der Spezies Hund kümmern. Denn unabhängig von der Rasse sind sie alle Hunde.
Wenn du die Bedürfnisse deines Hundes verstehst, kannst du besser einschätzen, wie die spezifischen Eigenschaften der Rasse da hineinspielen. Aber die Basis sind immer die Grundbedürfnisse deiner Fellnase.
Die Kenntnis der Rasseportraits erleichtert nicht nur die Auswahl eines Hundes, sondern ermöglicht auch eine schnellere Identifikation der Bedürfnisse des eigenen Hundes sowie der Ursachen für unerwartete Probleme. Zudem wird es einfacher, zwischen verschiedenen Meinungen – seien es die von Fachleuten oder von erfahrenen Hundebesitzern – in Bezug auf Haltung, Training und den allgemeinen Umgang mit Hunden zu unterscheiden. So wird klarer, welche Ansichten zu dem eigenen Hund passen und welche veraltete Ansichten sind.
Die Bedürfnispyramide nach Maslow für den Hund
Die folgende Bedürfnispyramide wurde vom Humanpsychologen Abraham Maslow entwickelt. Es hat sich gezeigt, dass die Hierarchie und die grundlegenden Prinzipien dieses Modells auf nahezu alle Lebewesen anwendbar sind. Daher eignet sie sich hervorragend zur Darstellung der Bedürfnisse von Hunden.
Die Pyramide, die hier betrachtet wird, besteht aus fünf Stufen, die aufeinander aufbauen.
Die unterste Stufe der Bedürfnispyramide umfasst die physischen Bedürfnisse, die für das körperliche Überleben entscheidend sind: Atmen, Schlaf, Nahrung, Wasser und Fortpflanzung/Körperkontakt. Wenn eines dieser Bedürfnisse nicht erfüllt ist, stehen andere Bedürfnisse in den Hintergrund.
Zum Beispiel: Ohne Sauerstoff wird der Fokus einzig auf die Atemnot gerichtet. Hat ein Hund Hunger oder erhält ungeeignete Nahrung, wird seine Konzentration im Training stark eingeschränkt. Auch unzureichender Schlaf führt zu Problemen, die uns allen bekannt sind.
In der Praxis zeigt sich oft, dass viele Alltagsprobleme mit Hunden auf nicht erfüllte Bedürfnisse der unteren Stufen zurückzuführen sind.
Ein häufiges Beispiel ist Schlafmangel. Ein Welpe benötigt etwa 20-22 Stunden Ruhe pro Tag, während erwachsene Hunde mindestens 18-20 Stunden schlafen sollten. Sie müssen tagsüber die Möglichkeit haben, auch bei Aktivität der Menschen zu schlafen und Reize auszublenden. In der Vergangenheit lebten Hunde nicht so eng mit Menschen zusammen und hatten genügend Ruhezeiten. Heutzutage müssen Hunde lernen, sich zurückzuziehen, um ihren Schlafbedarf zu decken.
Die Folgen von Schlafmangel sind bekannt: Reizbarkeit, Unkonzentriertheit und aggressives Verhalten. Oft sind Hunde, die unruhig werden oder an der Leine ziehen, schlicht übermüdet und benötigen dringend ihre Ruhe.
Sind die Bedürfnisse der Stufe 1 weitgehend erfüllt (z. B. Atmen, ausreichend Schlaf, kein Hunger), treten die Bedürfnisse der Stufe 2 in den Vordergrund, die körperliche und seelische Sicherheit betreffen.
Hier ist wichtig, dass, wenn Stufe 1 nicht erfüllt ist – etwa durch Hunger – der Hund möglicherweise risksante Entscheidungen trifft und sein Bedürfnis nach Sicherheit vernachlässigt. Sicherheit umfasst auch die Fähigkeit des Hundes, seine Umgebung einzuschätzen und Stabilität zu erwarten.
Eine verlässliche Lebensumgebung, in der Regeln vorhersehbar sind, ist entscheidend. Unvorhersehbares Verhalten von Menschen oder Übergriffigkeit von Kindern wirkt sich negativ auf das Sicherheitsgefühl des Hundes aus.
Viele Alltagsprobleme, wie Schwierigkeiten beim Alleinbleiben oder Aggressionen, hängen mit dieser Sicherheitsstufe zusammen. Hunde zeigen oft aggressive Reaktionen, wenn sie sich bedroht fühlen. Methoden, die auf höheren Bedürfnisschichten basieren, sind in diesen Fällen nicht zielführend. Stattdessen muss die Problemlösung ansetzen, indem die Unsicherheit des Hundes adressiert wird, um Verhaltensprobleme nachhaltig zu lösen.
Auf Stufe 3 der Pyramide geht es über die grundlegenden Überlebensbedürfnisse hinaus und behandelt das Thema Zugehörigkeit zu sozialen Strukturen. Hier ist die soziale Gruppe eines Hundes seine Familie, zu der Menschen und andere Hunde gehören. Nach der Sicherstellung der Bedürfnisse der ersten beiden Stufen ist es wichtig, dem Hund geduldig die Lebensregeln und Erwartungen innerhalb der Familie zu erklären und eine gemeinsame Sprache zu entwickeln.
Stell dir vor, du landest in einem unbekannten Dorf. Nach einem sicheren Schlafplatz und Nahrung brauchst du jemanden, der dir hilft, dich zurechtzufinden und dir die Sprache erklärt. Wenn du Regeln verletzt, wäre es hilfreich, ruhig korrigiert zu werden, anstatt angeschrien zu werden.
Die ersten Wochen in diesem neuen Umfeld sind herausfordernd, da man oft unsicher ist, wie man reagieren soll. Mit der Zeit verringert sich diese Unsicherheit. Ähnlich ergeht es auch dem Hund.
Auf Stufe 4 der Bedürfnispyramide stehen Wertschätzung, Vertrauen, Erfolgserlebnisse, Freiheit und Unabhängigkeit im Mittelpunkt.
Wie Menschen benötigen auch Hunde Anerkennung und Wertschätzung, um zu strahlen. Sie freuen sich, wenn sie Herausforderungen meistern und Erfolg haben. Durch gezieltes Training, das die Stärken des Hundes in den Fokus rückt, kann dieses Bedürfnis erfüllt werden, anstatt nur auf Fehler zu reagieren.
Freiheit und Unabhängigkeit sind ebenfalls wichtig. Während Menschen oft eigene Entscheidungen treffen, haben Hunde im Alltag meist wenig Spielraum. Wir bestimmen ihren Tagesablauf, ihre Fütterung und die Regeln des Zusammenlebens. Wenn Hunde nicht die Möglichkeit bekommen, selbst zu entscheiden, könnte es passieren, dass sie in ungeeigneten Momenten ihren Willen durchsetzen.
Ein einfacher Weg, Hunde Entscheidungsfreiheit zu bieten, ist während Spaziergängen, in denen sie selbst wählen können, wo es langgeht. Solche Erlebnisse fördern ihre Unabhängigkeit und ihr Wohlbefinden.
Stufe 5 der Bedürfnispyramide dreht sich um die Entfaltung des Potenzials und die Nutzung der eigenen Talente. Hunde sollten die Fähigkeiten, in denen sie besonders gut sind, in ihrem Leben ausleben können.
Dieses Bedürfnis zeigt sich meist erst, wenn die vorherigen Stufen weitgehend erfüllt sind. Auf dieser Stufe variieren die Bedürfnisse je nach Rasse, da bestimmte Rassen bestimmte Talente begünstigen. Ein Hund mit gutem Geruchssinn wird beispielsweise Freude daran haben, Fährten zu verfolgen, während ein Hund mit schwächerem Geruchssinn darin nicht so gut ist.
Idealerweise kann ein Hund seine Talente entfalten, doch auch wenn „nur“ die Bedürfnisse der ersten vier Stufen erfüllt sind, kann er glücklich sein. Viele Menschen erreichen im Leben und Beruf nicht einmal dieses Niveau, sodass ein Hund, der seine Talente nicht täglich ausübt, trotzdem sehr zufrieden sein kann.
### Was wir von der Pyramide lernen können
Die Bedürfnispyramide ist ein hilfreicher Gedankenansatz, der das Leben und die individuellen Bedürfnisse von Hunden nicht vollständig abbilden kann. Sie hilft, hartnäckige Mythen und veraltete Trainingsansätze zu hinterfragen, die oft das Ego des Menschen bedienen.
Wenn Hunden Machtstreben oder Dominanz vorgeworfen wird, wird häufig die Bedeutung der unteren Bedürfnisstufen ignoriert. Anstatt zu fragen, warum ein Hund ein bestimmtes Verhalten zeigt, wird versucht, menschliche Dominanz zu demonstrieren. Hunde schließen sich uns bereitwillig an, wenn wir sie verständnisvoll und zuverlässig führen.
Verhaltensprobleme werden oft fälschlicherweise mit Auslastung assoziiert. Regelmäßige Aktivität und neue Herausforderungen sind wichtig, doch sie sind nicht die Hauptursache für Probleme. Diese liegen häufig in den unteren Stufen der Pyramide.
Das Argument, dass eine Rasse spezifische Bedürfnisse hat (z. B. ein Dackel muss buddeln), wird häufig vorgebracht. Doch auch Rassen teilen die grundlegenden Bedürfnisse der ersten vier Stufen. Wenn diese nicht erfüllt sind – etwa durch Schlafmangel oder Unsicherheit – kann das rassetypische Verhalten nicht in den Vordergrund treten.
Zu oft werden die Bedürfnisse der Hunde zugunsten rassespezifischer Eigenschaften vernachlässigt, was zu Problemen führt.
Sobald die Bedürfnisse in ihrer richtigen Reihenfolge erkannt werden, fällt es leichter, Prioritäten zu setzen. Dadurch können wir besser entscheiden, welche Tipps wir annehmen und welches Problem mit dem Hund am dringendsten ist, wenn alles überwältigend erscheint.
DAs Wichtigste für eine gute Bindung ist jedoch, dass ALLE Bedürfnisse von dir verwaltet und eventuell auch befriedigt werden. Der, der diese Aufgabe " im Rudel hat", führt das Rudel.
Also mach doch mal eine Checkliste, und finde heraus, wo es noch was zu " verwalten" gibt! ;)